Ob in der Notaufnahme, im Restaurant oder an der Supermarktkasse: Beschäftigte in vielen Branchen sind heute verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Situationen reichen von aggressiven Beleidigungen bis hin zu körperlichen Angriffen. Aber wie kann man sich vorbereiten und in gefährlichen Momenten richtig reagieren, um sich selbst und andere zu schützen? Die gesetzliche Unfallversicherung gibt wichtige Hinweise – und ein bewährtes Modell zur Orientierung.
Jede Situation ist anders – und erfordert angepasstes Handeln
Gewaltsituationen sind selten planbar und oft schwer vorhersehbar. Umso wichtiger ist es, flexibel zu reagieren. Ein hilfreiches Werkzeug dabei ist die sogenannte Stufenpyramide zur Gewaltprävention. Sie unterteilt Gewaltereignisse in vier Eskalationsstufen und ordnet ihnen jeweils passende Präventions- und Verhaltensstrategien zu. Das Ziel: frühzeitig deeskalieren, im Ernstfall die eigene Sicherheit priorisieren.
Frühzeitig deeskalieren – wenn Worte noch helfen
Viele Konflikte beginnen mit Stress, Frust oder Enttäuschung – und eskalieren erst, wenn Betroffene keinen Ausweg mehr sehen. Hier können Zuhören, Verständnis und lösungsorientiertes Handeln helfen. Deeskalierendes Verhalten senkt den Stress der Angreifenden und eröffnet Wege aus der Eskalationsspirale.
Tipps bei Streitigkeiten und verbaler Aggression (Stufen 1 und 2):
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Ruhig und freundlich bleiben
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Verständnis zeigen und Alternativen aufzeigen
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Aufrechte, offene Körperhaltung einnehmen
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Selbstsicher kommunizieren, aber Provokationen vermeiden
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Neutralen Dritten zur Unterstützung hinzuziehen
Wenn Worte nicht mehr reichen: Eigensicherung geht vor
Bei körperlicher Gewalt oder sogar Waffengebrauch hilft Deeskalation nur noch bedingt. In diesen Situationen steht der Schutz des eigenen Lebens und das der anderen im Vordergrund.
Wichtig bei körperlicher Gewalt und Bedrohungen (Stufen 3 und 4):
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Eigensicherung beachten: Fluchtwege suchen und ggf. fliehen
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Hilfe rufen und Unterstützung holen
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Täter*innen nicht den Rücken zuwenden
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Polizei verständigen
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Nach Möglichkeit Handlungen ruhig ankündigen, Hände sichtbar halten
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Keine Waffen oder Reizstoffe einsetzen
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Nach Übergriffen: psychologische Betreuung sicherstellen
Ein Tipp bei Überfällen:
Sicherheitsvorrichtungen wie Überfallmeldeknöpfe erst nutzen, wenn der Täter oder die Täterin verschwunden ist. So wird vermieden, dass die Situation weiter eskaliert.
Achten Sie auf Ihre “inneren Antennen”
„Wir alle haben ein Gefühl dafür, wenn etwas nicht stimmt“, erklärt Betty Willingstorfer von der DGUV. Unruhe, hektische Bewegungen oder ungewöhnliches Verhalten können frühe Anzeichen einer möglichen Gewaltsituation sein. Wer auf diese Warnsignale achtet, kann schneller reagieren, Hilfe organisieren und sich in Sicherheit bringen.
Gewaltprävention im Betrieb – gemeinsam vorbereitet sein
Betriebe sollten die Gewaltprävention systematisch in ihre Gefährdungsbeurteilung aufnehmen. Technische Maßnahmen (z.B. Notrufsysteme), organisatorische Regeln (z.B. keine Alleinarbeit in kritischen Situationen) und gezielte Schulungen zur Deeskalation können dazu beitragen, Beschäftigte besser zu schützen. Wichtig ist auch die Nachsorge: Wer Gewalt erlebt hat, sollte psychologische Unterstützung erhalten.
Fazit: Sicherheit geht vor – Deeskalation, Wachsamkeit und Schutz
In Gewaltsituationen zählt vor allem eines: kluges, situationsangepasstes Verhalten. Deeskalation, wenn möglich – Schutz der eigenen Gesundheit, wenn nötig. Indem wir sensibel auf Warnzeichen achten, uns bewusst verhalten und im Team vorbereitet sind, tragen wir entscheidend dazu bei, gefährliche Situationen möglichst unbeschadet zu überstehen.