Arbeitsschutz im Homeoffice: Was gilt für die Wohnräume der Beschäftigten?
Mit dem zunehmenden Trend zur mobilen Arbeit stellt sich auch die Frage, wie weit staatliche Aufsichtspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes reichen – insbesondere dann, wenn die Tätigkeit nicht in klassischen Betriebsräumen, sondern in privaten Wohnungen ausgeübt wird. Klar ist: Der Arbeitgeber bleibt auch im Homeoffice für den Arbeitsschutz verantwortlich. Aber dürfen Aufsichtsbehörden zur Kontrolle tatsächlich in die Wohnungen der Beschäftigten?
Verantwortung bleibt bestehen
Grundsätzlich bleibt der Arbeitgeber für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeitenden verantwortlich – unabhängig davon, ob diese im Büro oder zu Hause arbeiten. Auch die Aufsichtsbehörden haben einen gesetzlichen Auftrag zur Überwachung der Einhaltung des Arbeitsschutzes. Dieser ergibt sich bereits aus europäischen Vorgaben (Art. 4 Abs. 2 RL 89/391/EWG) und ist im deutschen Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) klar geregelt. Die konkrete Zuständigkeit obliegt dabei den jeweiligen Landesbehörden – etwa den Gewerbeaufsichtsämtern.
Betretungsrechte im Arbeitsschutz
Für die Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgaben stehen den Behörden grundsätzlich weitreichende Befugnisse zur Verfügung. Dazu zählt unter anderem das Recht, Betriebs- und Geschäftsräume zu betreten (§ 22 Abs. 2 ArbSchG). Doch bei Wohnräumen gilt ein anderer Maßstab. Denn hier greift das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG – ein hohes Schutzgut, das nur in engen Ausnahmefällen eingeschränkt werden darf.
Unterscheidung zwischen Arbeitsstätte und Wohnraum
Im Gesetz ist ausdrücklich geregelt, dass ein Betretungsrecht nur dann besteht, wenn sich eine „Arbeitsstätte“ in der Wohnung befindet. Dies ist nach herrschender Meinung bei Homeoffice-Arbeitsplätzen in den privaten Räumen von Beschäftigten jedoch nicht der Fall. Arbeitsstätten im Sinne der Arbeitsstättenverordnung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbStättV) haben in der Regel einen konkreten betrieblichen Bezug und sind dauerhaft in die Organisationsstruktur eines Unternehmens eingebunden.
Wohnräume von Mitarbeitenden hingegen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Sie sind keine fest zugewiesenen betrieblichen Arbeitsorte, sondern Orte, an denen mobile Arbeit gelegentlich oder regelmäßig stattfindet – aber ohne eine räumliche oder organisatorische Verfestigung. Damit fehlt die Grundlage für ein generelles Betretungsrecht.
Abweichende Meinungen und Ausnahmen
In der juristischen Fachliteratur wird zum Teil vertreten, dass § 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG auch auf private Wohnräume anzuwenden sei – allerdings nur unter sehr strengen Bedingungen. Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, bleibt ein Zutritt ohne Einwilligung der Bewohner an hohe Voraussetzungen gebunden: Er ist nur zulässig, wenn eine „dringende Gefahr“ für Leben oder Gesundheit vorliegt. Die allgemeine „öffentliche Ordnung“ reicht als Begründung nicht aus, da sie zu unbestimmt ist, um in ein Grundrecht wie Art. 13 GG einzugreifen.
„Dringende Gefahren“ im klassischen Sinne sind im Zusammenhang mit Homeoffice-Arbeitsplätzen jedoch kaum denkbar. In der Praxis wird es nur in extremen Ausnahmefällen eine solche Gefahr geben, etwa bei akuter Selbstgefährdung oder schweren gesundheitlichen Risiken.
Praktische Bedeutung
Auch ohne Zutrittsrecht der Behörden bleibt der Arbeitsschutz im Homeoffice ein relevantes Thema. Arbeitgeber müssen über Gefährdungsbeurteilungen, technische Unterstützung und Unterweisungen sicherstellen, dass die Gesundheit ihrer Beschäftigten auch im häuslichen Umfeld geschützt wird. Beschäftigte wiederum haben eine Mitwirkungspflicht und sollten ihre Arbeitgeber über mögliche arbeitsbedingte Belastungen informieren.
Die rechtlichen Grenzen zeigen jedoch deutlich: Die Privatsphäre in den eigenen vier Wänden bleibt weitgehend unangetastet – auch durch den Staat.